3. Reise
vom 10.Aug.2002 bis 12.Dez. 2002
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South Australia
(QL - NSW)

10.10.2002 Birdsville Track Teil 2
Ich bin immer wieder aufs Neue begeistert von diesem Land. Diesmal durchfahre ich steinige Flutflächen, die bis zum Horizont reichen. Nach der Regenzeit bilden sich hier riesige Seen, so tief, dass mein Auto komplett unter Wasser stehen würde. Nur noch gelegentlich unterbrechen grasbewachsene Sanddünen die Szenerie, durch die sich der Birdsville Track schlängelt. In der Ferne flimmert die Hitze über dem Boden. Die Sonne brennt erbarmungslos. Die Winde werden von der Sonne beherrscht. Wenn sie aufgeht, fegen die ersten Böen übers Land. Je höher sie steigt, desto wärmer und stärker werden die Winde. Stark genug um Tonnen von Sand zu bewegen. Mit Einbruch der Nacht wird es windstill aber auch unangenehm kühl. Dagegen hilft nur ein gutes Lagerfeuer und eine heiße Tasse Tee. Eingepackt in eine Jacke, lasse ich den Tag Revue passieren.
Heute bedurfte die Strecke meiner ganzen Aufmerksamkeit. Ich musste höllisch aufpassen, weil Rinder und Kängurus die Fahrbahn plötzlich kreuzten. Ständig musste ich die Geschwindigkeit ändern, damit ich nicht in diese verhassten Bulldustlöcher krache. Zudem nutzte ich gerne die Gegenfahrbahn, weil man dort nicht so durchgerüttelt wurde. Mir sitzt jetzt noch der Schreck in den Gliedern, als ich von einem anderen Wagen, wie aus dem Nichts, überholt wurde. Wer schaut auch schon in den Rückspiegel, wenn man nur seine eigene Staubfahne sieht und stundenlang keiner Menschenseele begegnet.

11.10.2002 Birdsville Track Teil 3
Der Mensch auf seinen Beinen, hat sich einst erhoben und eine Vorrangstellung eingenommen. Durch seinen aufrechten Gang hat er die Welt erobert und viele Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt um sich seinen Lebensraum zu sichern.
Der Mensch hat mit seinem Mut die Meere bezwungen um neues Land sich zu Eigen zu machen. Sein Blick reicht bis zum Horizont und er rühmt sich mit dem Erreichten.
Doch ist der Mensch wirklich das dominierende Wesen auf diesem Planeten? Vielleicht hat uns die Natur nur Beine gegeben um die wahren Herrscher der Erde vor uns zu beschützen. Vielleicht hat sie nur wenigen das Glück zugesprochen, das wirkliche Leben zu erkennen, das sich außerhalb unserer Welt im Untergrund abspielt - direkt unter unseren Füßen.
Tag für Tag ein Kampf ums Überleben, um Nahrung, um Wasser und um neue Territorien. Aber es ist auf jeder Seite ein gerechter Ausgleich vorhanden.
Meine Sinne schweifen über die weiten Ebenen und dann über das rege Treiben zu meinen Füßen. Stundenlang könnte ich zusehen. Bizarre Gedanken und Ideen regen mich zum Philosophieren an. Meist vergesse ich dabei die Zeit. Doch was ist Zeit. Ich habe keine Eile, denn das Leben vergeht eh schon schnell genug.

12.10.2002 Strezelecki Track
Zwei Tage benötigte ich für die über 500 km von Birdsville nach Marree. Diesmal verweilte ich ein paar Stunden in dem kleinen Ort, den ich vor einem halben Jahr nur durchfuhr. Einst ein stark frequentierter Haltepunkt für die Old Ghan Railway, wirkt er heute ehr verschlafen. Nur noch ein paar alte Wagons, ausrangierte Triebwagen und ein Informationsschild erinnern an vergangene Betriebsamkeit dieser Bahnstation. Die Geschäfte haben sich den Wünschen der Reisenden in ihren eigenen Fahrzeugen angepasst, doch nichts geschieht in Hektik.
Bis Lyndhurst genoss ich die Bequemlichkeit der asphaltierten Straße. Hier beginnt der Strzelecki Track auf dem ich nach Innamincka reiste.
Auch auf diesem Track kann von Monotonie der Landschaft keine Rede sein. Man sollte aber bedenken, dass sich ein Landschaftswechsel bestenfalls alle hundert Kilometern vollzieht.
In Richtung Norden durchfährt man zunächst hügeliges Gelände, dessen Stillleben weder Baum noch Strauch stört. Ab und zu, in weiter Ferne zu erkennen, weisen Baumgruppen zusammengesetzt zu einem grünen Band auf einen trockenen Flusslauf (Creek) hin. Irgendwann verwandelt sich die Gegend wieder in eine Wüste, in der sich rote und gelbe Dünen die Hand reichen. Hier ist jeder Busch und jede Baumgruppe eine Welt für sich.
Der Track ist an und für sich in einem gutem bis sehr gutem Zustand. Solange die Oberfläche der Erdpiste trocken und hart ist, hat sie die Eigenschaften eines Highways. Wehe aber es Regnet. Binnen Sekunden hat man Schmierseife unter den Rädern.
Tiefe hartgebackene Spurrinnen verraten die Anstrengung, mit denen sich manch Reisender seinen Weg durch den Matsch gebahnt hat. Solchen Spurrinnen, ob knochenhart, im Sand oder im Schotter, versuche ich immer geschickt auszuweichen. Wird das Fahrzeug ab 50 km/h hineingezogen, verliert man schnell die Kontrolle. Lenkt man in diesem Fall entgegen und drückt dann auch noch eine Windböe auf der entsprechenden Seite, schnipst man hoffnungslos in die nächste Rinne. Bei diesem Hin und Her hat der Fahrer eines folgenden Fahrzeuges garantiert den Eindruck als wäre man besoffen.
Es bleibt also immer ein gewisser Grad an Unberechenbarkeit. Genau das ist es aber, was mein Herz immer wieder aufs Neue wild schlagen lässt.

13.10.2002 SA - QL - NSW
Kostenloses Camping direkt am Cooper Creek unter Schatten spendenten Kolibahbäumen. Der einzige Pup im Umkreis von 350 km in direkter Nähe. Das Angebot machte mir gestern die Entscheidung leicht, den restlichen Tag in Innamincka zu verbringen. Nach dem Abendessen fand ich mich auf ein paar kühle Bierchen im Pup ein und hielt ausgedehnte Smaltalks, bis weit nach Mitternacht, mit ein paar jungen Farmern die in der Umgebung ihr zu Hause haben.
Ohne Nachwehen setzte ich heute Morgen meinen Weg fort. Nach einem kurzen Besuch am Grab von Wills, kam ich ab Nappa Merty voll auf meine Kosten. Bis zum Warri Gate forderte mich endlich mal ein richtiger Track. Ganze vier Stunden benötigte ich für die ersten hundert Kilometer. Mein vierrädriger Kumpel hatte auf dem einspurigen schlechten Pfad ordentlich zu tun.
Ständig die Füße zwischen Gas, Kupplung, Bremse. Dagegen waren die hinter mir liegenden Tracks reinste Autobahnen. Es ging quer durchs Farmland und ich musste oft einen Stop einlegen, um Gatter zu öffnen und zu schließen. Dazu die atemberaubende Landschaft, geprägt von bewachsenen roten Dünen und oasenhaften Baumgruppen entlang der derzeit trockenen Flussläufe.
Morgen geht es auf dem Silver City Hwy nach Broken Hill. Mal sehen ob ich früh etwas ausschlafen kann. Meistens habe ich das Glück, einen Lagerplatz unter dem Baum zu finden, auf dem alle Raben oder Kakadus der Gegend übernachten und in der Morgendämmerung laut kreischend ausschwärmen.

22.10.2002 NSW - SA - NSW
Fast 10 Tage verstrichen, ohne das ich eine Zeile niedergeschrieben habe. Ich hatte absolut keine Lust und all zu Viel ist auch nicht passiert.
In Broken Hill verbrachte ich gut zwei Tage. Hier richtete ich mich wieder wie ein normaler Mensch her. Saubere Klamotten, frisch geduscht und vor allem rasiert. Schließlich wollte ich nicht wie ein Yeti zu einem zweiten Besuch bei meinen Freunden in Inverbrackie aufschlagen.
Auf dem Weg nach Adelaide veränderte sich das Landschaftsbild schlagartig. Bis Burra ist man umgeben von graubraunen Ebenen, über die vereinzelte Rinder durch den spärlichen Niederbusch wandern. Kurz nach dem Ort sprießt saftiges Gras auf sauber umzäunten Weiden. Man spürt den Frühling. Alles blüht und gedeiht.
Adelaide ist für mich die schönste Stadt Australiens, auch wenn meine Aufenthalte von kalten Nächten und meist bewölkten und windigen Tagen geprägt waren. Vielleicht liegt es an der Ordnung, der Gründlichkeit oder an der Gemütlichkeit, die man als Überbleibsel aus den deutschstämmigen Siedlertagen immer noch vorfinden kann.
Die Zeit bei meinen Freunden , Bill und Shari, habe ich sehr genossen und sie haben sich ebenso gefreut, das ich sie ein weiteres Mal besucht habe.
Meine Vorräte an Wasser und Proviant sind aufgefüllt und ich befinde mich wieder auf Achse in Richtung Renmark. Sobald der Asphalt unter den Rädern der Gravelroad weicht startet ein weiteres Kapitel meiner Reise.

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